Kurzer historischer Rückblick
Der Kretische Hund ist eine uralte Tierart und stammt nach Aussagen der Archäologen aus dem minoischen Kreta. Er ist ein echter Kreter, denn die Funde enthüllen, daß sein Alter mindestens 3600 Jahre beträgt. Man kann dieses Tier als lebendes Fossil beschreiben, ein Bindeglied, das uns mit unserer Vergangenheit und unserer Geschichte verbindet, weil es uns bei vielen Gelegenheiten begleitet hat.
In seiner DNA ist der lange Weg durch die Jahrtausende registriert. Dies könnte man beweisen, wenn man den genetischen Code der heutigen Hunde vergleichen würde mit dem genetischen Code der Hunde, die während der minoischen Epoche auf Kreta lebten. Mit derselben Methode könnten wir uns von der wahrscheinlichen Verwandtschaft mit anderen Rassen überzeugen, wie dem Pharaonenhund und dem Basenji, aber auch mit neueren Rassen. Dies würde beweisen, daß Dr. Basourakos, der Erforscher der Kretischen Hunde, Recht hat mit seiner Behauptung, daß der Minoische Hund der Stammvater vieler europäischer Hunderassen ist.
Hilfe für die oben genannten Unternehmungen kommt in der Gestalt von archäologischen Funden, wovon die wichtigsten 28 vollständige Skelette sind, die in der Umgebung von Palaikastro bei Sitia gefunden wurden. Diese wurden zur Wiederherstellung an die Universität von Oxford in England gesendet, zusammen mit dem Blut von heutigen Kretischen Hunden. Diese Skelette befanden sich zusammen mit Opfergaben in zwei Brunnen, ihr Alter wurde mit ca. 1600 v. Chr. bestimmt. Die Bestattung dieser vollständigen Hundeskelette zusammen mit Opfergaben zeigt die tiefe Beziehung, die während dieser Zeit zwischen Menschen und Hunden bestand, sagen uns die Archäozoologin Sheila Wall-Crowther und der Leiter der Ausgrabungen Alexander McGillivray. Es war eine Beziehung, die Verehrung zeigt, denn das Begräbnis war gestaltet wie ein Ritual oder ein Gottesdienst. Diese Liebe stammte wahrscheinlich von der Nützlichkeit dieses Tieres, denn die alten Kreter handelten mit ihren Hunden im gesamten Mittelmeerraum. Wie Xenophon in dem Buch schreibt, daß er den antiken Jagdhunden gewidmet hat, hatte der Kretische Hund einen besonderen Platz im Herzen der Jäger dieser Zeit, er wurde als einer der besten angesehen, zusammen mit dem Hund Lakoniens. Erwähnt werden die jagdlichen Fähigkeiten dieser Hunde und ihr Aussehen auch in verschiedenen neueren Reiseberichten, so daß wir uns von ihnen ein gutes Bild machen können.
In seinen Reiseerinnerungen aus dem 18.Jahrhundert, also aus der Zeit der Türkenherrschaft, schreibt ein Franzose, daß diese verschiedenartigen Hunde nicht so schön gewesen sein sollen wie ihre edlen Greyhounds. Der Arapis, wie dieser Hund wegen seiner schwarzen Farbe genannt wurde, jagte nicht aus eigenem Antrieb, aber deutete man mit der Hand auf den Wald, so verschwand der Hund darin und kam erst wieder, wenn er in der Schnauze einen Hasen heimtrug oder auch ein kleines Schwein. Er verabscheute Menschen, die einen Fes oder einenTurban trugen, aber mit den französischen Soldaten hatte er keine Probleme, denn diese Soldaten fütterten die Hunde und stießen sie nicht mit den Füßen wie die Türken. Seltsam war auch, daß diese Hunde, obwohl sie sehr gut fähig waren, allein für sich selbst zu sorgen, die Gesellschaft der Menschen vorzogen. Zum Schluß schreibt der Franzose, das Einzige was diese Hunde gebraucht hätten, um schön auszusehen, wäre ein Bad.
Eleganter sind die Beschreibungen, welche die Kreter selber gegeben haben, besonders die älteren. Die Worte, die sie gebrauchen, sind wenige: Levendis (wie ein junger Gentleman), einzigartig, wie ein Mensch. Das ist nicht leicht zu verstehen, diese Worte haben vor allem eine Bedeutung für diejenigen, welche die Fähigkeiten dieses Tieres gut kennen.
Die Bewunderung für diesen Hund ist nicht zufällig, denn er war eine unschätzbar große Hilfe bei der Jagd, ein Hütehund und auch ein Wachhund. Wenn wir diese Hunde während der Belagerung nicht gehabt hätten, würden wir vielleicht heute noch hungern. Es kann einem mit diesem Hund geschehen, daß sie einen Hasen fangen und in den Stall bringen, einmal halb aufgefressen und ein anderes Mal ganz. Und morgens kann man vielleicht einen Hasen im der Futterkrippe liegend finden. Jemand erzählte mir von einem Sommer, als der Hund einen Hasen von irgendwoher heranbrachte. Bevor ein Fremder kommen konnte, dem er vielleicht gehörte, versteckten sie ihn schnell unter ihren Kleidern und suchten dann auf dem Esel das Weite. Diese Augenzeugenberichte geben uns mit einfachen Worten eine Beschreibung der Fähigkeiten dieses Tieres. Daraus folgernd können wir sagen, daß dieser Hund ein guter Jäger war, aber was noch wichtiger war, dieser Spürhund jagte für seinen Herrn und fraß seine Jagdbeute nicht selber auf, sondern brachte sie seinem Herrn. Dieses Band mit seinem Herrn ist vielleicht die Antwort auf das Erstaunen des Franzosen. Diese Hingabe ist ein innerer Bestandteil des Kretischen Hundes, und zwar schon seit tausenden von Jahren.
Prähistorische Höhlenbilder, auch in entfernten Gegenden wie Frankreich, zeigen schlanke Hunde mit langen Beinen und geringelten oder säbelartigen Ruten, ähnlich dem Kretischen Hund von heute. Einige Darstellungen sind 7000 Jahre alt. Man kann aus ihnen folgern, daß Hunde, die diesen Felszeichnungen ähnlich sehen, auch mit ihnen verwandt sind, und deshalb auch „antik“. Daraus kann man schließen, daß der minoische Hund nicht nur prominoisch ist, sondern auch prähistorisch.
Giannis Geneiatakis
Übersetzung aus dem Griechischen: Astrid Collett